Gott­sucher

Be- und Erkenntnisse eines Spätbekehrten

Gib mir Wasserquellen!

Samstag, 1. Januar 2022

Samstag, 1. Januar 2022

Wie schon letztes Jahr, zog ich auch dieses Jahr einen Bibelvers, der mich durch das neue Jahr begleiten sollte. Rein „technisch“ lief das so ab, dass ich wieder meine Luther-Bibel nahm und nach einem Gebet mit geschlossenen Augen ein Stück Papier zwischen die Seiten steckte, dann die Bibel an dieser Stelle aufschlug und – mit weiterhin geschlossenen Augen – das Papierstück auf die geöffneten Seiten legte. Der Satz, auf den die obere Spitze des Papierstücks zeigte, war:

„Gib mir eine Segensgabe!“

Er stammte aus Vers 15 des 1. Kapitels des Richter-Buches. Vollständig lautet der Vers:

Sie sprach: Gib mir eine Segensgabe! Denn du hast mich nach dem dürren Südland gegeben; gib mir auch Wasserquellen! Da gab er ihr die oberen und unteren Quellen.

Richter 1,15 (Luther 2017) –

Genau wie letztes Jahr war meine Reaktion erstmal eine Abfolge aus „Häh?“, „Hmm“ und „Ah!“:

  • Häh? Was hat das jetzt mit mir zu tun? In dem Text geht es doch um eine Frau namens Achsa, die an ihren Cousin Otniël verheiratet worden war, nachdem dieser die kanaanitische Stadt Debir (ehemals Kirjat-Sefer) erobert hatte, und die diese Bitte um Wasserquellen nun an ihren Vater Kaleb richtet.
  • Hmm… Verbirgt sich dahinter vielleicht eine geistliche Bedeutung?
  • Ah! Das Wasser steht für den Heiligen Geist, die Segensgabe sind die Gaben des Heiligen Geistes, der Vater Kaleb steht für Gott den Vater und seine Tochter Achsa für mich als Kind Gottes!

Meine Interpretation: Wenn ich Gott um die Gaben des Heiligen Geistes bitte, wird er sie mir nicht vorenthalten! Das erinnerte mich an Lukas 11,9-13, wo es heißt (hier verkürzt wiedergegeben):

Bittet, so wird euch gegeben […] Denn wer da bittet, der empfängt […] wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!

Lukas 11,9-13 (LUT) –

Cool! Damit konnte ich etwas anfangen! Es erschien mir wie eine Antwort auf das, was ich unmittelbar zuvor beim Frühstück gelesen und worüber ich nachgedacht hatte: Walter Heidenreich, der bekannte Evangelist, sagte in einem Interview:

„Dann kam überraschend der Heilige Geist in mein Leben, als ich sehr zerbrochen war – das ist quasi die Voraussetzung, um wirklich Gott zu begegnen. […] Ich war am Ende, und als ich dann zu Gott geschrien habe, machte ich zum ersten Mal eine reale Erfahrung mit dem Heiligen Geist. In einem Augenblick erlebte ich Befreiung von Drogen und finsteren Mächten und ich hatte Offenbarung.“

Quelle: Artikel „Wie Currywurst und Pommes – Der andere Leitartikel von Walter Heidenreich“ aus dem Freundesbrief „unser Weg“ von FCJG / HELP, Winter 2021

Weiter beschreibt Walter Heidenreich, wie er und seine Frau die „kaputtesten Menschen“ bei sich aufnahmen und wie sich die Leute bei ihnen „explosionsartig“ bekehrten.

Tja, dachte ich, so einfach kann’s gehen: Man muss nur sein Leben gegen die Wand fahren, dann zu Gott schreien und der Heilige Geist kommt mit Macht und Kraft in dein Leben, alles ändert sich und man wird zu einem glühenden Nachfolger Jesu… Aber solange es einem äußerlich gesehen noch (zu) gut geht und das Leben in scheinbar geordneten Bahnen verläuft, kann man machen, was man will, es tut sich nichts und man bleibt ein „lauwarmer“ Christ. Wie bei dem reichen Jüngling aus Matthäus 19,21-22, der Jesus auch nicht zu 100% nachfolgen konnte, weil er noch zu sehr an seinen Gütern hing und seine materiellen Sicherheiten nicht aufgeben wollte.

Ich sagte (oder besser: klagte) zu Gott: „Wenn das so ist, dann dann zerbrich mich doch! Dann zerstöre doch mein Leben, damit du mich ganz neu aufbauen kannst, so wie du es willst!“

Natürlich weiß ich, dass Gott einem nichts vorenthält und er uns in Jesus Christus bereits „mit jeder geistlichen Segnung in der Himmelswelt“ (Epheser 1,3) gesegnet hat. Aber warum erlebe ich das dann nicht? Auch mein Bibelvers fürs neue Jahr sagt ja offenbar genau das aus, nämlich dass Gott uns nichts vorenthält, um das wir ihn bitten, und schon gar nicht den Heiligen Geist.

Aber war meine Interpretation überhaupt richtig, oder war das nicht doch zu weit hergeholt? Schließlich soll man Bibelverse ja nicht einfach so aus dem Zusammenhang reißen, und in Richter 1,15 geht es ja nicht um die Gaben des Heiligen Geistes, sondern um die Verteilung des verheißenen Landes Kanaan an die einzelnen Stämme Israels und um dürres (trockenes) Land und um Wasserquellen, die zu dessen Bewirtschaftung erforderlich sind. Kann man das einfach so nehmen und da eine geistliche Bedeutung hineininterpretieren, wie es einem gerade passt?

Ich googelte „Richter 1,15“, um herauszufinden, ob es dazu Auslegungen gibt, fand jedoch keine. In der Schlachter-Bibel fand ich dann einen Verweis auf Josua 15,19 mit exakt denselben Wortlaut wie Richter 1,15. Als Querverweis dazu war u.a. Matthäus 7,7-11 angegeben, und dies ist wiederum eine Parallelstelle zu den fast gleichlautenden Versen Lukas 11,9-13, die mir beim Lesen von Richter 1,15 unmittelbar in den Sinn gekommen waren. Der einzige Unterschied ist, dass es in Matthäus 7,11 „Gutes“ und in Lukas 11,13 „den Heiligen Geist“ heißt. Wenn schon die Bibel-Redakteure als ausgewiesene Exegeten diesen Zusammenhang sahen, dann konnte meine Interpretation ja nicht ganz so weit hergeholt sein… 😉

Zu Josua 15,19 (dessen Wortlaut ja Richter 1,15 entspricht) fand ich dann auch Auslegungen, die genau in diese Richtung gehen:

„Es gibt Kinder des Neuen Bundes, deren Leben und Wesen so trocken, dürr und öde ist wie Achsas Mittagsland. Wer empfindet das schmerzlich? Der werde der bittenden Achsa gleich! Wie diese Tochter ihren gütigen Vater kindlich schlicht um einen Segen bat, so dürfen auch wir zu unserem Vater im Himmel ganz schlicht sagen: Es fehlt meinem Christenstand an Saft und Kraft! Gib mir deinen Heiligen Geist und seine Kräfte! – Wir sehen zuletzt die erhörte Achsa. Augenblicklich erfüllt Kaleb der geliebten Tochter ihre Bitte. Und wir? Nicht vergeblich hat der Herr Jesus gesagt: „So denn ihr, die ihr arg seid, könnt euren Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten (Lukas 11, 13).“

Quelle: Alfred Christlieb (26.02.1866 – 21.01.1934), deutscher Theologe, in Predigten zu Josua 15,19

Krass, da hatte schon jemand vor hundert Jahren genau dieselbe Auslegung zu Josua 15,19 bzw. Richter 1,15 gehabt wie ich und sogar ebenfalls den Zusammenhang zu Lukas 11,9-13 hergestellt! Da hatte mich also offenbar tatsächlich der Heilige Geist geführt. Eine schöne Bestätigung!

Interessant auch der Hinweis auf die Kraft (griech. dynamis) des Heiligen Geistes. Darüber sprach auch Walter Heidenreich in seinem o.g. Interview mit Bezug auf Apostelgeschichte 1,8: „ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist“. Genau das war auch Thema in meinem letzten Blog-Eintrag „A Walk in the Park“. (Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um den Empfang des Heiligen Geistes bei der geistlichen Neugeburt, sondern um die darauffolgende, ständige Erfüllung mit seiner Kraft, ohne die das Leben eines Christen kraft- und fruchtlos bleibt.)

Okay, aber was mache ich jetzt damit? Das Thema ist ja nicht wirklich neu für mich, und um den Heiligen Geist gebeten (gerade auch mit Verweis auf Lukas 11,9-13) habe ich Gott schon oft. Man liest so oft gutmeinende Hinweise darüber, wie den, dass man es einfach nur „im Glauben annehmen“ muss, nachdem man Gott im Sinne von Lukas 11,9-13 um den Heiligen Geist gebeten hat. Ganz so einfach scheint es also wohl doch nicht zu sein. Aber ich werde weiter bitten und darauf vertrauen, dass Gott treu ist und zu seinem Wort steht. Ich merke ja, dass er mich sieht und mir immer wieder ermutigende Hinweise gibt.

Karte zur Silvesterfeier 2021/2022 bei Dava 🙂

To be continued…

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