Gott­sucher

Be- und Erkenntnisse eines Spätbekehrten

Haben die Menschen zur Zeit Jesu Christi an die Reinkarnation geglaubt?

Sonntag, 12. Mai 2019

Einige Autoren sehen bestimmte Bibelstellen als Beleg für die damalige Verbreitung des Reinkarnationsglaubens an. Was ist daran?

Sonntag, 12. Mai 2019

In dem Artikel „Haben wir schon einmal gelebt? Werden wir wiedergeboren?“ von Christa Ginsberg werden die Bibelstellen Matthäus 11,11-14; 16,13-16; 17,10-13; Lukas 1,13-17; Markus 6,14-16 und Lukas 9,7-9 als Beleg dafür angeführt, dass Jesus der wiedergeborene Prophet Elia aus dem Alten Testament sei, womit begründet wird, dass die Reinkarnation zur Zeit Jesu Christi Glaubensinhalt gewesen sei. Sehen wir uns diese Bibelstellen einmal genauer an (die Auszüge stammen aus der Elberfelder Übersetzung, die als sehr urtextnah gilt):

Der Engel aber sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Denn dein Flehen ist erhört, und Elisabeth, deine Frau, wird dir einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Johannes nennen. Und er wird dir zur Freude und zum Jubel sein, und viele werden sich über seine Geburt freuen. Denn er wird groß sein vor dem Herrn; weder Wein noch starkes Getränk wird er trinken und schon von Mutterleibe an mit Heiligem Geist erfüllt werden. Und viele der Söhne Israels wird er zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren. Und er wird vor ihm hergehen in dem Geist und der Kraft des Elia, um der Väter Herzen zu bekehren zu den Kindern und Ungehorsame zur Gesinnung von Gerechten, um dem Herrn ein zugerüstetes Volk zu bereiten.

Lukas 1,13-17

Hier wird offenbar die Formulierung „in dem Geist und der Kraft des Elia“ so gedeutet, dass Elia als Johannes der Täufer wiedergeboren sei. Tatsächlich ist damit aber nur gemeint: „entschlossen und stark wie der Prophet Elia“.

Auch Jesus wurde von einigen seiner Zeitgenossen für Elia gehalten:

Und der König Herodes hörte von ihm – denn sein Name war bekannt geworden -, und sie sagten: Johannes der Täufer ist aus den Toten auferweckt worden, und deswegen wirken die Wunderkräfte in ihm. Andere aber sagten: Es ist Elia; andere aber sagten: Es ist ein Prophet wie einer der Propheten. Als aber Herodes es hörte, sagte er: Johannes, den ich enthauptet habe, der ist auferweckt worden.

Markus 6,14-16

Als aber Jesus in die Gegenden von Cäsarea Philippi gekommen war, fragte er seine Jünger und sprach: Was sagen die Menschen, wer der Sohn des Menschen ist? Sie aber sagten: Einige: Johannes der Täufer; andere aber: Elia; und andere wieder: Jeremia oder einer der Propheten.

Matthäus 16,13-14

Sowohl Johannes der Täufer als auch Jesus verneinten jedoch, Elia zu sein:

Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden aus Jerusalem Priester und Leviten zu ihm sandten, damit sie ihn fragen sollten: Wer bist du? Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. Und sie fragten ihn: Was denn? Bist du Elia? Und er sagt: Ich bin es nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein.

Johannes 1,19-21

Er spricht zu ihnen: Ihr aber, was sagt ihr, wer ich bin? Simon Petrus aber antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht offenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist.

Matthäus 16,15-17

Dennoch schien damals der Glaube an die Möglichkeit, dass ein Mensch „wiederkommen“ könnte, vorhanden gewesen zu sein, sonst hätten die Personen nicht so geredet. Selbst für Jesus scheint dies nicht abwegig gewesen zu sein:

Wahrlich, ich sage euch, unter den von Frauen Geborenen ist kein Größerer aufgestanden als Johannes der Täufer; der Kleinste aber im Reich der Himmel ist größer als er. Aber von den Tagen Johannes des Täufers an bis jetzt wird dem Reich der Himmel Gewalt angetan, und Gewalttuende reißen es an sich. Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis auf Johannes [hin]. Und wenn ihr es annehmen wollt: Er ist Elia, der kommen soll.

Matthäus 11,11-14

Und die Jünger fragten ihn und sprachen: Was sagen denn die Schriftgelehrten, dass Elia zuerst kommen müsse? Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Elia kommt zwar und wird alle Dinge wiederherstellen. Ich sage euch aber, dass Elia schon gekommen ist, und sie haben ihn nicht erkannt, sondern an ihm getan, was sie wollten. Ebenso wird auch der Sohn des Menschen von ihnen leiden. Da verstanden die Jünger, dass er von Johannes dem Täufer zu ihnen sprach.

Matthäus 17,10-13

Ist dies nun ein Beweis dafür, dass die Menschen damals an die Reinkarnation geglaubt haben? Keineswegs. Vielmehr finden sich im gesamten Alten Testament Prophezeihungen, die auf das Kommen eines Messias hinweisen. An etlichen Stellen des Neuen Testaments wird auf diese Prophezeihungen verwiesen. Indem Jesus alle diese Prophezeihungen auf sich bezog und auch erfüllte, wollte er den Juden der damaligen Zeit zu verstehen geben, dass er selbst der prophezeihte Messias ist. Die oben zitierte Aussage Jesu aus Matthäus 17,10-13 beispielsweise sollte verdeutlichen, dass sich im Wirken Johannes des Täufers als „Wegbereiter“ für Jesus Christus die Ankündigung des Propheten Maleachi, der im 5. Jahrhundert v. Chr. lebte, erfüllt hatte:

Siehe, ich sende euch den Propheten Elia, bevor der Tag des HERRN kommt, der große und furchtbare. Und er wird das Herz der Väter zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu ihren Vätern umkehren lassen, damit ich nicht komme und das Land mit dem Bann schlage.

Maleachi 3,23-24

Hiermit kann allerdings keine Wiedergeburt des Propheten Elia in einem neuen menschlichen Körper gemeint sein, denn nach den damaligen Vorstellungen war Elia überhaupt nicht gestorben, sondern wurde leibhaftig in den Himmel „entrückt“:

Und es geschah, während sie gingen, gingen und redeten, siehe da: ein feuriger Wagen und feurige Pferde, die sie beide voneinander trennten! Und Elia fuhr im Sturmwind auf zum Himmel.

Könige 2,11

An diese Geschichte, in der Elia mit dem Wagen in den Himmel gefahren ist, dachten die Menschen der damaligen Zeit, wenn sie über ein Wiederkommen des Propheten Elia sprachen. Für sie war klar, dass Elia nicht gestorben ist, sondern als Lebender weg war (er schien mit dem Wagen zum Himmel gefahren zu sein), er war also dort als Lebender im Himmel und könnte nun zurückgekommen sein. Mit der „klassischen“ Reinkarnationslehre des Hinduismus hat diese Vorstellung nichts zu tun.

Im Gegensatz zu den „zirkulären“ indischen Religionen kennen die „linearen“ abrahamitischen Religionen keine Reinkarnation. Das ist schon religionsphilosophisch unlogisch. Es passt ganz und gar nicht ins jüdische und christliche Konzept und auch nicht ins islamische Denken. Es ist ein durch und durch anderes Denken als das Reinkarnationsdenken – sei es in theologischer, philosophischer oder glaubensmäßiger Hinsicht.

Der manchmal in diesem Zusammenhang gehörte Vorwurf, die Bibel sei nachträglich verfälscht und Sachen herausgestrichen worden, um die Reinkarnationslehre daraus zu eliminieren, kann dadruch entkräftet werden, dass die moderne Bibelforschung heute Zugriff auf tausende alte Handschriften aus dem 1. bis 4. Jahrhundert hat – darunter auch die erst Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckten Schriftrollen in Qumran und Nag Hammadi -, die zudem an den verschiedensten Orten der Welt verstreut sind. Allein durch dieses „Redundanz-Prinzip“ sollte eine Veränderung oder Entfernung von Passagen zu späteren Zeiten sofort auffallen.

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