Irrweg: Traumaaufstellungen
Samstag, 19. September 2015
Ich überlegte, ob es bei mir vielleicht Traumata aus der Kindheit geben könnte, die mich daran hinderten, mich spirituell zu entwickeln.
Hinweis
Auf meiner „spirituellen Suche“ habe ich eine Vielzahl an Methoden ausprobiert, die mich aber letztlich alle nicht zum Ziel geführt haben. Deswegen bezeichne ich sie rückblickend als „Irrwege“. Einer davon ist hier beschrieben.
Zu weiteren Irrwegen siehe hier.
Ich war zu der Annahme gelangt, dass es bei mir vielleicht Traumata aus der Kindheit geben könnte, die mich daran hinderten, mich spirituell zu entwickeln. Mir wurde Prof. Dr. Franz Ruppert als Experten für Trauma-Aufstellungen empfohlen, der seine Praxis in München hatte, wo es mehrere dieser Angebote gab. Über Dr. Ruppert hatte ich auch schon mehrere beeindruckende TV-Dokumentationen gesehen. Inzwischen hat Ruppert seine Methode weiterentwickelt und nennt sie jetzt „Aufstellen des Anliegensatzes“. Anders als bei einer Familienaufstellung werden hierbei nicht einzelne Familienmitglieder aufgestellt, sondern die Worte eines Satzes, mit dem der Klient sein Anliegen formuliert. Am 19.09.2015 nahm ich an einer solchen Aufstellung teil. Nachfolgend meine Eindrücke:
Samstag, 19. September 2015
Teilnehmer (Namen geändert):
- Alexandra (Leiterin)
- 7 Teilnehmer (Martina, Hans, Sophie, Dagmar, Karl, Rainer, Lisa, Stefan)
Vorstellung meines Anliegens:
- Spirituelle Entwicklung
- Praktiziere Meditation seit vielen Jahren
- Schwierigkeiten, bei der Meditation ganz ins „Hier und Jetzt“ bzw. in den gegenwärtigen Augenblick zu kommen
- Vermutete Ursache: Angsttrauma aus der Kindheit und dadurch Abkoppelung eines Teils meines Innern, auf das ich nun keinen Zugriff mehr habe, weil eine Art „Schutzmechanismus“ das bewußte Ich vor einem zu intensiven Kontakt mit meinem Innern abschirmt.
- Anliegensatz: „Ich möchte wieder in Kontakt mit meinem Innern sein.“
Aufstellung:
- Rainer als „Ich“. Ihn hatte ich rein spontan ausgewählt, da ich zuvor für ihn seine „Selbstheilungskräfte“ dargestellt hatte.
- Karl als „mein Inneres“. Ich hatte Karl als „mein Inneres“ ausgewählt, weil er während meiner Vorstellung des Anliegens zustimmende Reaktionen gezeigt hatte, als ich auf das meine Ängste als Kind zu sprechen kam; später erzählte er, daß auch er bis zum Alter von 19 Jahren (bis er eine Feundin kennengelernt hatte) unter Angststörungen litt, die von einem Trauma aufgrund von Gewalterfahrungen in der Kindheit verursacht wurden.
- Lisa als „Kontakt“. Sie hatte ich ausgewählt, weil ich das Gefühl hatte, daß sie sehr intuitiv ist und wissen könnte, wie „ich“ und „mein Inneres“ zusammenfinden könnten.
Auf meine erste Frage an „Ich“, wie es sich fühlt, antwortete Rainer sinngemäß „abwartend, neugierig, bereit, mal sehen“.
Nachdem ich dann „Mein Inneres“ dazuholte, zeigte es sich sehr lebensbejahend; es freute sich und wollte endlich in meinem Leben zum Ausdruck kommen. Seine Ziele waren in erster Linie Lebensfreude; es sehnte sich nach einer Partnerin und Zärtlichkeit. Mein „Ich“ (und auch ich als der Aufsteller) waren diebezüglich eher zurückaltend; dies sei momentan nicht unser Hauptthema. Auf die Frage von Karl in der Rolle „meines Innern“, was denn das Hauptthema sei, antwortete ich „Tiefe und Sinn im Leben“. Dies legte „mein Inneres“ schließlich als „Sinnlichkeit“ aus, was allerdings nicht meinen eigentlichen Anliegen entsprach. Ich brachte es an dieser Stelle nicht fertig, zu vermitteln, daß ich eigentlich auf einer spirituellen Suche war und es mir auch um Transzendenz ging; das Wort „Erleuchtung“ schien mir in diesem Rahmen ohnehin nicht passend, da zuvor gesagt worden war, daß Spiritualität bei der Methode von Franz Ruppert nur eine untergeordnete Rolle als „Privatangelegenheit“ spielt, und auch weil es den beiden Aufstellern vor mir um viel konkretere, praktischere Dinge des Lebens ging (Schulden, Gesundheit).
Ich fragte dann das „Ich“, was es davon abhält, auf das Innere zuzugehen, worauf es sinngemäß meinte: „Nichts.“ Ich hakte nach, ob da nicht irgend eine Angst ist, zum Beispiel daß bei zu intensivem Kontakt mit „meinem Innern“ Erfahrungen aufkommen könnten, mit denen das „Ich“ nicht fertig werden und dann die Kontrolle verlieren könnte; schließlich ist das „Ich“ ja alleinverantwortlich für das Überleben. In der Folge wurde das „Ich“ dann doch etwas zurückhaltender; es stellte sich heraus, daß „mein Inneres“ dem „Ich“ wohl etwas zu ungestüm war. Ich fragte, wie wir es denn erreichen könnten, daß sich das „Ich“ „meinem Innern“ annähert. Nachdem sich hier keine Lösung abzeichnete, holte ich Lisa als „Kontakt“ hinzu. „Kontakt“ war sehr darum bemüht, eine behutsame Annäherung von „Ich“ an „mein Inneres“ herzustellen, dies brauche jedoch Zeit. Bei diesen Worten zeigte sich „mein Inneres“ sehr ungeduldig und verzweifelt, weil es sich schon wieder vernachlässigt fühlte und sinngemäß anmerkte, daß Zeit ja nicht endlos zur Verfügung steht. „Kontakt“ versuchte zu vermitteln und nannte wiederholt Achtsamkeit und Geduld als Weg der Annäherung. Dabei standen sich „Kontakt“ und „Ich“ in einigem Abstand gegenüber, und direkt hinter „Ich“ stand „mein Inneres“ und versuchte, ebenfalls Blickkontakt zu „Kontakt“ aufzunehmen, doch „Ich“ schirmte es noch ab. Schließlich wendete sich „Ich“ „meinem Innern“ zu und erklärte sich bereit, sich „meinem Innern“ anzunähern, jedoch unter der Voraussetzung, daß es eine Art „Notausstieg“ gibt für den Fall, daß es überfordert wird. Wenn es z.B. „Stop“ sagt, soll „mein Inneres“ darauf hören und stehenbleiben. „Ich“ und „mein Inneres“ einigten sich, indem „mein Inneres“ zusagte, nicht mehr ganz so ungestüm auf das „Ich“ zuzugehen und sich zu bemühen, auf das „Stop“-Signal zu hören. „Kontakt“ merkte noch an, daß dieser „Notausstieg“ aber kein Zurückweichen bedeutet, sondern nur ein Stehenbleiben.
Dann beendete ich als Aufsteller diese Aufstellung, in dem ich die 3 Stellvertreter jeweils mit den Worten „Danke, du bist jetzt wieder xyz (Name)“ entließ.
Es gab dann noch eine Nachbesprechung, in der ich mich als Aufsteller und die drei Personen sich rückblickend über ihre Eindrücke während ihrer Stellvertreter-Tätigkeit äußern konnten. Auch die Zuschauer konnten ihre Eindrücke äußern. Dagmar sagte, diese Aufstellung hätte sie sehr beeindruckt, was mich überraschte, da es meine erste Aufstellung war und ich sie selbst nicht als so beeindruckend erlebt hatte, da ich eigentlich nicht das Gefühl hatte, hierbei viel Neues erfahren zu haben. Karl war sehr bewegt, da ihn seine Stellvertreter-Rolle an seine eigene Lebensgeschichte erinnerte.
Fazit
Mein vorläufiges Fazit zu der Aufstellung speziell und zu der Methode allgemein:
Die Aufstellung ist ein wenig an meinem eigentlichen Anliegen (spirituelle Entwicklung) vorbeigegangen und hat mir auch keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gebracht. Daß Achtsamkeit und Geduld der Weg ist, mich meinem Innern anzunähern, war mir bereits klar; es bleibt jedoch die Frage, wie die von der Schutzfunktion errichtete „Mauer“, vor die ich das Gefühl habe ständig zu laufen, sobald ich mich meinem Innern annähern will, überwunden oder aufgelöst werden kann. Hierzu müßte m.E. das Angsttrauma aus der Kindheit aufgelöst und die abgespalteten Teile wieder integriert werden. Dazu gehört nach meinem Verständnis das Bewußtmachen und bedingungslose (jedoch behutsame und schrittweise) Wieder-Fühlen der damaligen Ängste mit der Absicht, diese Emotionen anzunehmen, zu akzeptieren, „sein“ zu lassen und dadurch in das fühlende Bewußtsein zu integrieren, und dies ist sicher kein rein mentaler Vorgang als den ich die Aufstellung in erster Linie empfunden habe. Mir ist noch nicht klar, wie dies allein durch Aufstellungen erreicht werden kann, aber wahrscheinlich ist dies auch nicht der Zweck der Aufstellungen; Ruppert selbst verwendet diese auch nur als Bestandteil seiner Trauma-Therapien.
Ich werde mich mal weiter mit der Methode „Aufstellung des Anliegen-Satzes“ befassen und hierzu an dem nächsten offenen Abend in der Praxis von Prof. Dr. Franz Ruppert teilnehmen. Vielleicht habe ich dort die Gelegenheit, ihm die obigen Fragen zu stellen.
Mit Alexandra habe ich vereinbart, sie am kommenden Montag um 19 Uhr anzurufen. Hierbei werde ich ihr vielleicht nochmal ein Feedback zu der Aufstellung geben und nach der „Männergruppe“ bei Franz Ruppert fragen, auf die sie während des Seminars hinwies mit der Bemerkung, entsprechende Informationen an Interessenten nur telefonisch weitergeben zu wollen.
Nachtrag vom Montag, 21.09.2015:
Wie vereinbart, habe ich heute abend nochmal mit Alexandra telefoniert und ihr Feedback zu Samstag gegeben. Ich sagte ihr, daß es für mich eine neue Erfahrung war, als Stellvertreter gewirkt zu haben, weil ich es nicht gewohnt bin, und daß ich den Eindruck hatte, daß meine Antworten mehr „aus dem Kopf“ kamen. Ihrer Ansicht nach habe ich meinen Part jedoch gut ausgefüllt, und Rainer hätte es geholfen. Auch fand sie meine Aufstellung sehr gut, auch nachdem ich ihr meinen Eindruck schilderte, daß ich mich bzw. mein Anliegen in der Rolle meines „Innern“ nicht so ganz wiedergefunden habe. Sie meinte daraufhin, auch wenn mein Anliegen eher spiritueller Art war (das Innere fühlen, Erleuchtung, oder was auch immer), könnte es doch auch sein, daß es in mir einen Teil gibt, der sich nach körperlicher Nähe sehnt, auch wenn das momentan nicht das Hauptthema sei. Auch kann man auch nie sagen, inwieweit dabei auch die inneren Teile des Stellvertreters zum Ausdruck kommen. Sie bot mir dann noch an, am Donnerstag ab 9 Uhr zur „Männergruppe“ als Zuschauer zu kommen, was ich jedoch wegen der für mich ungünstigen Zeit ablehnen mußte. Diese Männergruppe besteht seit 3-4 Jahren und wurde von einer Frau ins Leben gerufen für ihren Mann, aktuell besteht sie aus 15-20 Männern sowie ein paar Frauen, welche dann bei Aufstellungen die Rollen von Mutter oder Schwester übernehmen würden. Alexandra erzählte mir dann noch kurz über ihre Arbeit als Therapeutin. Wir verblieben so, daß ich mich wieder bei ihr melden würde, wenn ich Fragen oder Bedarf an einer Therapie oder Aufstellung hätte. Sie wollte auch zum nächsten offenen Abend bei Franz Ruppert kommen.
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Soweit meine Aufzeichnungen vom September 2015. Auch „Trauma-Aufstellungen“ bzw. das „Aufstellen des Anliegensatzes“ war offenbar „nix für mich“ gewesen. Ich kenne zwar Berichte von Familienaufstellungen mit ganz tollen Resultaten, und auch die TV-Dokus über Prof. Dr. Franz Ruppert waren durchaus beeindruckend, und vielleicht hätte ich einfach „dranbleiben“ sollen, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass mich diese Methode wirklich weiterbringen würde, da sie offenbar eine andere Zielgruppe im Auge hatte. Also hakte ich auch dieses Kapitel für mich ab.