Gott­sucher

Be- und Erkenntnisse eines Spätbekehrten

Textschnipsel aus der Zeit meiner Suche

Sonntag, 19. April 1998

Die folgenden Texte sind Auszüge aus Mails und Forenbeiträgen aus der Zeit meiner „Suche“ etwa 20 Jahre vor meiner Bekehrung im Jahr 2018 und spiegeln meine damaligen Ansichten, Überzeugungen und Hoffnungen wider. Aus biblischer Sicht würde man solche Gedanken vielleicht als „gnostisch“ bezeichnen: Nur durch Erlangung bestimmter Erkenntnisse gelangt man zur Wahrheit und zur Erlösung.

19. April 1998

Ego-Tricks

Es stimmt wohl, daß das „Ego“ ziemlich dominant ist, aber gleichzeitig merke ich, daß das alles eigentlich nur „Show“ ist. Allerdings scheint so ein Ego wohl doch nicht so ganz einfach strukturiert zu sein, als daß eine einfache bewußte Entscheidung, GOTT die Führung zu überlassen, ausreichen würde, um die Illusionen zu erkennen und zu beseitigen. Offenbar gibt es zumindest einen „bewußten“ und einen „unbewußten“ Teil des Ego. Der bewußte Teil besteht dabei aus den Komponenten „Verstand“ und „Gefühl“. Das Gefühl erzeugt die Sehnsucht nach Vollkommenheit, Ganzheit, Harmonie, …, während aus dem „Verstand“ z.B. das Bemühen um ethisches Verhalten hervorhgeht, oder die Entscheidung, sich auf die Suche nach dem „höheren Sinn“ zu begeben (insofern ist das „böse Ego“ ja eigentlich ganz nützlich!). Von daher müßten also eigentlich alle Voraussetzungen, die Wahrheit zu sehen, gegeben sein. Einzig und allein die Entscheidung dazu müßte doch ausreichen. Aber so einfach ist das ja nicht, denn offensichtlich ist der unbewußte Teil des Ego dominant und viel stärker, als es der bewußte Teil wahrhaben will – warum sonst gibt es Fehlwahrnehmungen, Illusionen, derer wir uns nicht bewußt sind, und die uns die Sicht auf die „Wahrheit“ versperren, obwohl wir doch [wissen?, ahnen?], daß es eigentlich nicht die Wahrheit sein kann, was uns unsere Wahrnehmung vorgaukelt? Dieser autonome Schutzmechanismus des Egos ist natürlich unbewußt, sonst könnte er seine Funktion ja nicht erfüllen. Jeder Versuch, sich daraus aus eigener Kraft zu befreien, gleicht dem Versuch, sich „am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen“.

Also ist ja eigentlich alles ganz klar…

Hmm.

Nur glauben würd’ ich’s gern… 😉

(Hier meldet sich der ewige Skeptiker in mir wieder zu Wort…)

10. Mai 1998

Innerer Frieden furch Handeln?

Den Sinn seines Lebens in irgendwelchen einem „sinnvoll“ erscheinenden Tätigkeiten zu suchen scheint der falsche Weg zu sein, weil man sich so von Erfolg oder Mißerfolg abhängig macht. Der wahre innere Frieden kann nur aus einer inneren Gewißheit heraus kommen.

Verzweifelte Suche in der Außenwelt

Ich denke, wir alle sehnen uns nach einem Ausweg aus der „Dunkelheit“, also nach der Erkenntnis der Wahrheit über unser Dasein, die wir meist nur erahnen (der eine mehr, der andere weniger). Wird die Ursache dieser Sehnsucht nicht erkannt, führt das dazu, das Glück in der Außenwelt zu suchen – und dies bringt uns nur noch weiter weg von unserem Ziel. Die Religionen und alle spirituellen Wege lehren aber, daß diese Erfüllung, die wir suchen, nur in uns selbst zu finden ist. Es gibt viele Wege, die aber letztlich alle zum selben Ziel führen sollen. Sämtliche Methoden dazu sind lediglich Hilfsmittel.

Auslöser für die Suche

Alte Gewohnheiten und (meist unbewußte, aber umso machtvollere) Denkmuster (= unser „Ego“) hindern uns oft daran, das zu tun, was wir innerlich als eigentlich richtig erkennen. Dieser Konflikt treibt uns ständig an, etwas zu ändern. Manchmal ist ein „seelischer Tiefpunkt“ oder ein einschneidendes Erlebnis der Auslöser, endlich damit zu beginnen.

Die innere Stimme

Für mich selbst habe ich erkannt, daß es wichtig ist, gegenüber sich selbst (= der „inneren Stimme“, seinem Gewissen) ehrlich zu sein und dazu auch nach außen hin zu stehen. Oftmals widerspricht das Handeln dem Denken: Man hat etwas als falsch erkannt, handelt aber aus „Gewohnheit“ trotzdem weiter so wie bisher. Das erzeugt innere Konflikte, die verdrängt werden müssen, um „ungestört“ leben zu können. Aber dadurch baut man nur weitere Mauern um sein Ego und trennt sich so von seinem „wahren Wesen“, dessen Stimme das Gewissen ist. (Mit „Gewissen“ meine ich natürlich nicht die Angst vor Strafe, wenn man etwas Verbotenes tut, sondern die innere Stimme, die einem unmißverständlich sagt, ob etwas „richtig“ oder „falsch“ ist). Wenn man seine innere Stimme ernstnimmt und alte Gewohnheiten ablegt, kann das zwar zunächst zu „Unannehmlichkeiten“ im Alltag führen, aber schließlich fühlt man sich freier, da sich der Konflikt zwischen Denken und Handeln auflöst und man nicht mehr soviel Gedankenenergie zum Verdrängen aufwenden muß.

27. Januar 1999

Kann man sich das Erwachen „erarbeiten“?

Ich glaube nicht, daß man durch das Aneignen (oder Verinnerlichen) der Konzepte oder Moralvorstellungen, die Erwachte dann gerne in Büchern oder Satsangs vermitteln, allmählich in einen „erwachten Zustand“ übergeht. Wenn man sich nämlich die Geschichten dieser Erwachten anschaut, dann sieht man, daß auch sie vor ihrem plötzlichen Erwachen genauso verzweifelt „gesucht“ haben wie unsereiner…

Es wäre daher sicherlich ein Fehlschluß zu sagen: „Wenn ich so-und-so denke oder mich so-und-so verhalte, so wie es die Erleuchteten tun und teilweise lehren, dann werde ich auch früher oder später dort hinkommen.“ Das ist sicherlich auch das Problem bei den Religionen: Dort gibt es Moralvorstellungen, Ge- und Verbote, Ideale wie Liebe, Mitgefühl usw. Dies mag ja alles aus der Erfahrung der jeweiligen „Religionsstifter“ (die vielleicht nie welche sein wollten) richtig und wahr sein, aber das sind Erkenntnisse, das sich aus diesem Zustand des Erwachtseins von selbst ergeben haben. Es ist doch so: Irgendjemand ist erwacht und versucht, diese Erfahrung anderen mitzuteilen. Manche der Erwachten üben eine so starke Faszination aus, daß sich um sie herum eine Art Kult oder gar „Religion“ entwickelt, deren Anhänger es sich zur Aufgabe machen, den jeweiligen „Heilsweg“ weiter zu verkünden. Sie stellen Lebensregeln auf und entwickeln ethische und moralische Grundsätze, an die man sich zu halten habe, um selbst „erlöst“ zu werden. Bei den großen Religionsgemeinschaften wurde diese Erlösung verrückterweise sogar ins Jenseits verlagert, die man sich hier auf Erden „verdienen“ müsse…

Aber auch sonst begegnen einem in der „spirituellen Szene“ immer wieder irgendwelche Verhaltensregeln oder „Empfehlungen“ („nicht urteilen“ etc.), es wird von Werten oder Eigenschaften geredet, die vielleicht Ergebnis eines erwachten Lebens sein können (oder vielleicht auch nicht), die aber deswegen noch lange nicht zum Erwachen hinführen müssen! Sich daran zu klammern kann auch zum Hindernis werden. Und das Erwachen selbst hat, wenn man den Aussagen Erwachter Glauben schenken darf, anscheinend kaum etwas mit dem Einhalten irgendwelcher Regeln oder moralischer Grundsätze zu tun. Das Erwachen selbst geschah immer ganz „plötzlich und unerwartet“. Vorher haben die „Betroffenen“ genauso herumgegrübelt wie viele andere Möchtegern-Erleuchtete (positiv zu verstehen) ebenfalls.

Also kurz gesagt: Die Methode, sich Eigenschaften, die landläufig als Kennzeichen des Erwachtseins gelten, umgekehrt als Lebensregeln aufzuerlegen, um dadurch selbst zu erwachen, halte ich für „fragwürdig“.

28. August 1999

„Ist das wirklich alles nötig?“

Ich will eigentlich weder das dicke blaue Buch [gemeint ist der „Kurs in Wundern“] durchackern und den ganzen Tag irgendwelche Suggestionsformeln vor mich hersagen müssen, noch will ich jeden Tag 3 x 30 Minuten oder mehr meditieren müssen. Aber so weiterleben wie bisher will ich auf Dauer auch nicht – „Die Welt, die ich sehe, birgt nichts, was ich will“. 😉 Also, was will ich denn nun wirklich?

Letztlich geht es mir eigentlich nur um den absoluten inneren Frieden, von dem ich weiß, daß es ihn irgendwo geben muß. Mein größtes Hindernis ist vielleicht, daß ich denke, daß einem „nichts einfach so geschenkt“ wird. Dann denke ich wiederum, daß ich vielleicht nur einem Phantom hinterherlaufe und lieber mal zusehen sollte, daß ich mein „Glück“ statt dessen in Dingen wie „Karriere“, Familie, etc. finden sollte, so wie die ganzen „normalen“ Menschen um mich herum auch… Allerdings weiß ich, daß dies niemals „mein Weg“ sein wird.

Nicht daß ich jetzt vorhätte, meine sämtlichen „Schattenseiten“ „aufzuarbeiten“ – nee, von Psychoanalyse halte ich nix! Abgesehen davon wüßte ich auch nicht, was ich da groß „verschüttet“ haben sollte (naja, andererseits haben es „verschüttete“ Erinnerungen natürlich so an sich, daß man von ihnen nichts mehr weiß…). Nein, aber ich kann mich auch an keine besonderen traumatischen Erlebnisse erinnern; daher würde Psychoanalyse da wohl auch nicht viel „ans Tageslicht“ bringen.

7. Februar 2000

„Bereit sein“

Das sagt sich so leicht: „Klar bin ich bereit!“. – Aber das Ego wird sich sicherlich mit Händen und Füßen wehren, wenn es wirklich drauf ankommt. Die 12 Jahre der „Ichlosigkeit“ bei Suzanne Segal waren zwar für ihren Verstand horrormäßig, aber sie schreibt auch, daß nicht „sie selbst“ diesen Horror empfunden hat, da es ja nun mal kein „ich“ mehr gab. Und auch der gute alte Johannes vom Kreuz hat das schon 1586 in seinem Buch „Die Dunkle Nacht“ beschrieben…

8. Februar 2000

Erleuchtungsgeschichten

Normalerweise kenne ich nur die „Realität“, wie sie sich mir momentan darstellt, und die ist in sich durch und durch konsistent. Ich würde mir wünschen, wenn dort mal etwas „Ungewohntes“ hineinbrechen würde; irgend etwas, das einen am Verstand zweifeln läßt – so eine Art „Weckruf“, der die ganze Illusion durchbricht… 😉

9. Februar 2000

Traum und Wirklichkeit

Ich träumte, ich würde festgehalten werden in einer Art psychiatrischen Klinik. Die Leute dort schienen alle sehr freundlich, aber ich wollte unbedingt nach Hause, da mir doch nichts „fehlte“. Als ich wieder einmal ein „psychologisches Gespräch“ haben sollte, versuchte ich zu entkommen, hatte aber keine Chance, denn sobald ich den Versuch dazu unternahm, wiederholte sich die Szene und ich stand wieder am Anfang. Also ließ ich die freundliche Psychologin kommen, sagte aber direkt: „Wann kann ich endlich nach Hause?“ – An die genaue Antwort kann ich mich nicht mehr erinnern, aber wir führten daraufhin einen kleinen (unbedeutenden) Dialog, in dem ich ihr meine „Normalität“ demonstrieren wollte, um endlich „entlassen“ zu werden.

Innerhalb des Traumes identifizierte ich mich voll und ganz mit meinem Traum-Ich; eine darüber hinausgehende Realität gab es für mich nicht. Der begrenzenden Situation im Traum zu entkommen, schien mir nur möglich, indem ich „nach Hause entlassen“ würde. Von diesem „Zuhause“ hatte ich eine ganz konkrete Vorstellung – es war auf jeden Fall ein anderer Ort. Die Idee, daß ich mich einfach nur daran zu erinnern bräuchte, daß ich träume, um „frei“ zu sein, kam mir überhaupt nicht in den Sinn. Statt dessen versuchte ich, durch das Äußern „kluger Gedanken“ zu beweisen, daß ich eine Entlassung doch eigentlich „verdient“ hätte. Leider funktionierte das nicht. Und auch wenn es funktioniert hätte, wäre ich dann natürlich nicht wirklich „frei“ gewesen, denn es wäre ja ebenfalls nur eine Illusion gewesen… Schließlich endete der Traum, ohne daß ich schon innerhalb des Traumes „frei“ wurde bzw. mich „erinnerte“.

Aus der Sicht des Träumers ist es natürlich egal, ob und wann ein Traum endet – irgendwann ist jeder Traum einmal vorbei. Was zurückbleibt, sind lediglich die Eindrücke des Traumes, die, so real sie dem Traum-Ich auch erschienen sein mögen, natürlich niemals eine wirkliche Bedrohung dargestellt haben. Allerdings wäre es – auch für den Träumer! – sicherlich eine sehr interessante Erfahrung, wenn schon das Traum-Ich diese Illusion durchschauen könnte!

Es heißt, es ist egal, ob und wann man in diesem Leben „erwacht“ („erleuchtet“ wird). Natürlich ist es das. Aber wäre es denn nicht schön, wenn es doch geschehen würde?!

Wir tragen möglicherweise in unserem Leben soviele mehr oder weniger konkrete Vorstellungen davon mit herum, was es bedeutet, „frei“ zu sein oder „nach Hause“ zu kommen. Wir meinen, wir wüßten eigentlich schon alles, was dazu nötig ist – aber in Wirklichkeit haben wir nicht den geringsten Schimmer! Jedenfalls nicht, solange wir der festen Überzeugung sind, daß unsere selbstgemachte virtuelle Realität alles ist, was es gibt.

Was kann „ich“ für das Erwachen tun?

Es ist schwer, nicht an die eigenen Projektionen zu glauben, solange man sich noch mit der Traumfigur identifiziert, denn als solche kennt man ja nichts anderes. Das wäre so, als wollte man sich am sprichwörtlichen „eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen“.

Was kann also die Traumfigur tun?

Suzanne Segal schreibt dazu in ihrem Buch „Kollision mit der Unendlichkeit – Ein Leben jenseits des persönlichen Selbst“:

Anweisungen für eine Technik oder einen Lebenswandel, die besagen, daß ein „Ich“ etwas „tun“ muß, um zu erwachen, setzen damit eine Beziehung von Ursache und Wirkung voraus, die einfach nicht besteht. Wie kann ein persönliches „Ich“, das gar nicht existiert, jemand sein, der etwas tut, damit das Erwachen geschieht?

Quelle: Suzanne Segal: Kollision mit der Unendlichkeit, S. 146

Die Anweisungen, bestimmte Praktiken auszuüben, basieren auf einem Bezugspunkt, doch ein solcher Bezugspunkt existiert für die unendliche Weite überhaupt nicht. Die Frage, wer was tun kann, um dahin zu kommen, wo man bereits ist, ist absurd.

Quelle: Suzanne Segal: Kollision mit der Unendlichkeit, S. 164

Oder mit anderen Worten: Jeder Versuch der Traumperson, irgend etwas zu „ändern“, ist nur ein Herummanipulieren am Traum selbst. Die Traumperson (die ja nicht existiert, bzw. nur als Illusion) kann selbst aktiv eigentlich überhaupt nichts zum Erwachen beitragen.

„Nichts tun“

Nichts zu tun ist für den „gewöhnlichen“ Geist allerdings ein ziemlich ungewohnter, ja sogar ein bedrohlicher Zustand. Irgend etwas zu tun, ist dagegen viel einfacher. Schließlich ist das ja die einzige Möglichkeit für den Verstand, sich seiner Existenz zu vergewissern. „Cogito, ergo sum!“„Ich denke, also bin ich!“ Nichts zu tun ist für den Verstand dagegen gleichbedeutend mit Tod.

Und in der Tat wird dieser Vergleich gerne herangezogen: Viele Zen-Meister vergleichen die Übung des Zazen mit der Erfahrung des Sterbens. Auch Willigis Jäger sagte einmal während eines Sesshin:

Wenn wir Zazen üben, dann üben wir eigentlich das Sterben. Da müssen wir auch loslassen, können nichts mitnehmen, mit dem wir uns jetzt identifizieren. Was wir zutiefst sind, unser wahres Wesen, weiß von allein den Weg. Wir müssen nur loslassen, ihm aus dem Weg gehen.

Quelle: Willigis Jäger während eines Zen-Sesshins im Jahre 1996 im Haus St. Benedikt in Würzburg

Gibt es nicht doch eine Möglichkeit?

Was können wir also tun? Was hätte das Traum-Ich tun können, um sich der Illusion, in der es sich befand, bewußt zu werden? Ich befürchte, nicht sehr viel! Es selbst hat eigentlich gar keinen freien Willen, solange es in seiner Illusion gefangen ist. Es kann eigentlich nichts weiter tun als darauf zu vertrauen, daß der Träumer dafür gesorgt hat, daß „von außen“ irgend ein vereinbartes Zeichen in das Bewußtsein des Traum-Ich gelangt, an das es sich „erinnert“ und sich daraufhin der Illusion bewußt wird. – Tatsächlich gibt es verschiedene Methoden, um luzide Träume zu induzieren, wie z.B. optische oder akustische Reize, die unbewußt in das Traumgeschehen integriert werden und dort evtl. für diese „Erinnerung“ sorgen.

Satyam Nadeen würde hier von einem „Weckruf“ sprechen. Dieser Weckruf könnte beispielsweise darin bestehen, daß wir einen bestimmten Satz in einem Buch lesen, den wir zwar in ähnlicher Form schon hundert mal vorher irgendwo gelesen haben, aber eben nicht in genau dieser Form. Ein solcher Weckruf würde bewirken, daß man sich plötzlich wieder an alles „erinnert“. Dies ließe sich allerdings nicht „herbeiführen“, sondern sei abhängig von „Schicksal“ und „Gnade“.

Aber – gibt es nicht vielleicht doch eine Möglichkeit?

Um noch einmal das luzide Träumen als Vergleich für das „Erwachen“ heranzuziehen: Eine andere Methode, luzid zu werden, sind sog. Reality-Checks: Man gewöhnt sich im Wachbewußtsein an, in regelmäßigen Abständen die Wirklichkeit zu hinterfragen, indem man bestimmte Tests durchführt, um zu entscheiden, ob es sich um die Wirklichkeit oder um einen Traum handelt. Beispiel: Man versucht, mit der Hand eine Wand zu durchdringen. Gelingt das, dann weiß man genau, daß man träumt. Wichtig ist, diese Tests regelmäßig durchzuführen, bis sie so zur Gewohnheit werden, daß man sie auch im Traum fortführt. Gelingt ein solcher Reality-Check im Traum, so hat man eine reelle Chance, sich daran zu „erinnern“, daß man nur träumt.

Nur… welcher „Reality-Check“ könnte die „Wirklichkeit“ als Illusion enttarnen???

11. März 2000

„Erleuchtetsein“ und der Prozeß des Erwachens

Ich würde unterscheiden zwischen „Erleuchtung“ und „Erwachen“. Viele sagen, „erleuchtet“ seien wir schon längst, wüßten es nur nicht… Soweit ich das aus Berichten anderer „Erleuchteter/Erwachter“ kenne, passiert das „Erwachen“ selbst immer ganz plötzlich als ein dramatisches Ereignis. Stephen Jourdain hat’s als Jugendlichen erwischt, Satyam Nadeen in einer Extremsituation (Gefängnisaufenthalt), und Suzanne Segal aus heiterem Himmel. Das darauffolgende Assimilieren dieses Zustandes des Erwachtseins kann dagegen Jahre dauern – Satyam Nadeen bezeichnet diesen Prozeß als „Erlösung“.

Bei einem bin ich mir sicher: Wenn man „erwacht“ ist, dann wird man das mit absoluter Sicherheit wissen; dann gibt es keinen Zweifel mehr. Und: Erwachen ist total; es geschieht vollkommen und unwiderruflich. Mit begrenzten ekstatischen Momenten hat es nichts – aber auch gar nichts! – zu tun. Jedenfalls ist das nicht das, wonach ich suche.

13.03.2000

Glaube, Erfahrung, Transzendenz…

„Glauben“ im religiösen Sinne heißt, positiv ausgedrückt, etwas trotz des Fehlens kontreter „Beweise“ für wahr zu halten; eine Art „innere Gewißheit“, ein „Ur-Vertrauen“ in etwas, das die eigene Realität übersteigt und dieser einen darüber hinausgehenden „Sinn“ gibt. Christen glauben beispielsweise an einen persönlichen Gott und an ein jenseitiges Paradies, Buddhisten an die endgültige Befreiung von allem Leiden durch Selbsterkenntnis.

Glauben allein reicht jedoch auf Dauer nicht aus; er ist vorübergehend und sollte früher oder später durch die eigene Erfahrung ersetzt werden. Glauben ist wandelbar und somit nichts Absolutes. Heute glaube ich dies, morgen das! Wenn jemand sagt: „Ich glaube fest daran, …“ – was will er damit ausdrücken? Glaubt er, weil er tatsächlich weiß? Oder glaubt er, obwohl oder weil er nicht weiß, und will damit zum Ausdruck bringen, daß seine Überzeugungen mittlerweile so „fest“gefahren und unflexibel geworden sind, daß ihn nichts mehr von seinem Glauben daran abbringen kann – was auch passiert…?! „Fest glauben“ zu können scheint zumindest im Christentum ein Qualitätsmerkmal eines „guten Christen“ zu sein. Ein trotz oder gerade wegen des Fehlens eigener Erfahrungen „starker Glaube“ wird als eine der höchsten Tugenden angesehen; dies halte ich für einen großen Fehler – oder für einen geschickten „Schachzug“ der Kirche…

Sicherlich kann Glauben einiges bewirken und dem Menschen Kraft und Hoffnung geben in Krisensituationen. Glauben und Vertrauen kann einen Menschen dazu bringen, einen ihm zunächst unbekannten Weg einzuschlagen – aber gehen muß er ihn letztlich selbst. Schon Buddha sagte in einer seiner Lehrreden: „Nun glaubt mir nichts, nur weil ich ein Buddha bin, sondern prüft alles selbst!“ So ist im Zen-Buddhismus ist das einzig Authentische die eigene Erfahrung, die durch die Praxis des Zazen gewonnen wird, und die durch keine in Büchern festgeschriebenen Philosophien vermittelt werden kann.

Wenn ich gefragt werden würde, an was ich denn so glaube, dann würde ich vielleicht sagen, daß ich an eine „ursprüngliche“ Art der Wahrnehmung der Realität glaube, die jedem Menschen angeboren ist und die deshalb im Prinzip auch jeder erreichen kann; eine Art der Wahrnehmung, die sich von der „gewohnten“ Wahrnehmungsart so radikal unterscheidet, daß jegliche Identifizierung mit dem Wahrgenommenen aufgehoben ist und dadurch die Realität so gesehen wird, wie sie wirklich ist – ohne die ganzen Urteile unseres von Kindheit an konditionierten Geistes, der wie ein „Pawlowscher Hund“ automatisch auf äußere Reize reagiert und uns dabei gleichzeitig einen freien Willen vortäuscht. Das Erreichen dieser ursprünglichen Art der Wahrnehmung könnte man auch als „Desidentifizierung“ bezeichnen, vergleichbar mit dem Erwachen aus einem Traum, oder dem luzid werden innerhalb eines Traumes (diesen Gedanken hatte ich letztes Jahr bereits in meinem Text „Traum und Wirklichkeit“ näher ausgeführt). Im Buddhismus heißt das wohl Erleuchtung…

Ich glaube auch, daß es einmal die ursprüngliche Intention aller Religionen war, die Menschen zu dieser ursprünglichen Art der Wahrnehmung der Realität hinzuführen. Im Laufe der Zeit wurde der Kern dieser Lehrsysteme dann aber von allerhand kulturellem Müll zugeschüttet oder zu weltlichen Machtinstrumenten pervertiert und dadurch bis zur Unkenntlichkeit entstellt oder in ihr Gegenteil verkehrt. Unabhängig davon konnten sich die ursprünglichen Ideen aber über die Zeit hinweg erhalten; sie werden heute als die „mystischen Wege“ der Religionen bezeichnet. Beim Christentum ist das die christliche Mystik, beim Buddhismus der Zen, beim Hinduismus der Yoga oder beim Islam der Sufismus, usw. Die Vertreter dieser Erkenntniswege wurden allerdings im Verlaufe der Geschichte von den Funktionären des „Mainstreams“ des jeweiligen Religionssystems meist als „Bedrohung“ empfunden und daher nicht selten verfolgt und umgebracht. Dies gilt vor allem für theistische Religionssysteme wie Christentum oder Islam. (Selbst der historische Begründer des Christentums galt seinerzeit ja als „Gotteslästerer“ und wurde deswegen zum Tode verurteilt…)

Trotzdem haben sich diese mystischen Erkenntniswege bis heute erhalten, denn sie entspringen nun einmal einem auf Dauer nicht unterdrückbaren Grundbedürfnis des Menschen nach Transzendenz, das von keiner von außen aufoktroyierten „Lehre“ befriedigt werden kann.

25.10.2000

Ist Religion Glaube oder Erfahrung?

Hallo Manfred,

ich schreibe einfach mal drauf los und sage, was mir dazu einfällt. Disclaimer: Alles unausgegorene Gedanken! 🙂 Also los:

Ist Religion Glaube oder Erfahrung??

Beides hat, denke ich mal, viel miteinander zu tun. Allerdings scheint eine Begriffserklärung notwendig zu sein, was das Wort „Glaube“ betrifft. Vielfach wird „Glaube“ mit „nicht wissen, aber trotzdem für wahr halten“ gleichgesetzt. Glaube als Ersatz für Wissen – was für ein Quatsch! Glaube ist eher eine Art Vertrauen, die einen zur Erfahrung hinführt.

In der evangelischen Kirche heisst es „Dein GLAUBE an Jesus wird dich erlösen“

Wie viele Aussagen der christlichen Lehre beinhaltet sicher auch diese einen wahren Kern. Allerdings kann man Aussagen ja bekanntlich beliebig auslegen. In den Kirchen scheint Glaube ein Selbstzweck zu sein. Wer nur stark genug glaubt, dem ist die Belohnung im Jenseits sicher…

Ich hatte immer das Gefühl, dass man die Menschen damit nur ruhig stellen wollte. Schliesslich konnte man ja nie nachprüfen, ob das stimmte.

Die christl. Kirchen legen die Aussagen in der Bibel – sofern sie überhaupt noch dem Originaltext entsprechen – leider meistens so aus, daß die Anhänger in eine lebenslange Abhängigheit geraten statt in die Freiheit. Der Trick ist tatsächlich ganz einfach der, daß die „Erlösung“, das „Reich Gottes“, ins Jenseits verlagert wird. Dann noch ein wenig Schuld und Sünde untergerührt, und fertig ist die stärkste Droge der Welt…

Und heute gibt es die, die immer noch glauben (bewundernswert), oder die dies aufgegeben haben.

„Bewundernswert“ ist daran nur, daß dieses System so gut funktioniert.

Aber niemand hält es noch für möglich Gott zu erfahern.

Weil es ihnen von klein auf so beigebracht wurde. Und wenn man Gott erfahren kann, dann nur im Kloster, und selbst da ist der päpstliche Zeigefinger allgegenwärtig… Wie gut, daß sich immer mehr „Sucher“ ihres Mittelfingers erinnern… 😀

Es mag ja richtig sein, dass zuerst Glaube notwendig ist, um zu Gott zu kommen, aber sollte dann nicht irgendwann auch die „Erfahrung Gottes“ dazu kommen.

Wie gesagt, beides geht Hand in Hand. Ohne das Vertrauen in etwas, das die eigene Person übersteigt, hätten wir vielleicht gar nicht den Antrieb, nach etwas „Höherem“ zu suchen. Dann könnten wir genausogut noch einige Leben damit verbringen, unser „Glück“ in materiellen Dingen zu finden. Richtig verstandener Glaube ließe sich vielleicht auch als „Leidenschaft“ verstehen, einer von der Sehnsucht nach der „Erfahrung Gottes“ hervorgerufene Bereitschaft, das begrenzte Ich zu transzendieren, weil man weiß, daß dieses einem nicht die gesuchte Erfüllung geben kann.

Und was ist das „die Erfahrung Gottes“?

Keine Ahnung. 🙂

Sollte man diese Sache wirklich auf die Zeit nach dem Tod verschieben?

Steht dir vollkommen frei! 🙂

Und genügt Glauben (an was auch immer) und „gute Werke“ alleine?

Ich verstehe die Frage nicht… Genügt Dir das denn? 😉

Aber da ist diese SEHNSUCHT nach einem grösseren Etwas. Diese Welt kann ganz schön sein und man kann sich gut darin einrichten und dann der Meinung sein alles wäre bestens. Aber die Frage bleibt „woher komme ich?“, „wohin gehe ich?“, „wer bin ich eigentlich?“ Man kann sich natürlich einer beruhigenden Einstellung befleissigen und denken, man mache sich da nur unnötige Sorgen. Aber trotzdem ist diese kleine Stimme nicht zufrieden, die sagt „suche weiter, es gibt eine Erfahrung, nicht blosse Worte“

Ja, damit fängt „die Suche“ meistens an…

Sonst hat der Text natürlich recht, alles ist Gott, wir auch, haben es aber wohl vergessen um unsere eigenen Spielchen zu spielen, wozu das vergessen notwendig war. Kein Verständnissproblem! Aber wie kommt man zurück? Der verlorene Sohn (die Seele) der beim Vater (Gott) war möchte zurück. Und wo geht es heim?

Durch den Glauben (bzw. die „Leidenschaft“)! 🙂

Kannst Du mit der folgenden Aussage etwas anfangen?

Leidenschaft ist die Bereitschaft, für DAS zu sterben. Du kannst selbst nichts tun. Bewahre nur die Leidenschaft und lasse geschehen.

Laß alles sterben, selbst Deine Sehnsucht! „Opfere“ alles an DAS.

Mehr kann ich Dir momentan auch nicht sagen. Es wäre schön, wenn es eine „Anleitung“ gäbe… 😉

Calmierende Sprüche stillen diese Sehnsucht nicht.

Nein, da hast Du wohl recht… 😉

Gruß,
Stefan

19.01.2002

Ein Traum (Mailinglisten-Beitrag)

Hi Ihr Lieben,

hatte meinen KommPuter schon ausgeschaltet gehabt, da fiel mir ein, daß ich Euch ja noch ein „Erlebnis“ mit-teilen könnte. Ist nichts Besonderes, nur ein Traum vom letzten Morgen, der etwas seltsam endet. Vielleicht interessiert’s ja jemanden… also:

In dem Traum stellte ich „Gott“ die Frage: »Warum kann ich Dich nicht hören, wenn Du zu mir sprichst?« Da erschien mir die Vision eines Tannenzapfens, der sich von innen her mit flüssigem Wachs zu füllen begann. Ich begriff sofort die Bedeutung dieser im Nachhinein betrachtet etwas seltsamen, aber doch genialen Symbolik: Ich selbst bin von innen heraus durch und durch von „Göttlichkeit“ durchdrungen. Statt eine Antwort von „außen“ zu erwarten, sieh lieber nach innen: Du selbst BIST die Antwort!

Eigentlich ja eine Binsenweisheit – kann man zudem überall nachlesen – aber trotzdem schön, welcher Bildsprache sich doch das Unterbewußtsein bedient… 🙂

Kleiner Nachsatz: In dem Moment, als ich die Symbolik mit dem Tannenzapfen und dem Wachs begriff, wurde ich mit einem Ruck hellwach – mein Bewußtsein schien sich allerdigs noch irgendwie „außerhalb“ von mir zu befinden. Es war ein ziemlich komisches Gefühl – ich war wach, sah alles, war aber nicht ganz „in mir“ und konnte mich auch nicht bewegen. Mittlerweile kenne ich aber diesen Zustand – es handelte sich um eine Schlafparalyse, die immer wieder mal auftritt, und die früher immer panische Angst in mir ausgelöst hatte, weil man sich so hilflos fühlt, so daß ich immer dagegen ankämpfte. Aber man gewöhnt sich daran, und jetzt kann ich mich diesem Zustand ohne Angst überlassen. Kennt das einer?

So, dann träumt mal was Schönes!

Nachtgrüße,
Stefan

05.09.2002

Beseelte Natur (Forenbeitrag)

Liebes Elfchen, 🙂

nun ja, es ist einfach die Vorstellung, daß die Natur „beseelt“ ist, die ich schön finde. Daß sie das ist, davon bin ich überzeugt, auch wenn ich selbst noch keine Elfen etc. gesehen habe. Und ob die Natur wirklich in der Form beseelt ist, daß in jeder Pflanze und in jedem Stein eine individuelle Seele wohnt bzw. „inkarniert“ ist, weiß ich auch nicht. Aber nett ist diese Vorstellung schon, und auch die, daß man mit diesen Wesen kommunizieren könnte, daß sie uns in die innersten Geheimnisse der Natur Einblick gewähren. Denn leider ist es ja so, daß die Natur viel zu wenig geachtet wird. Mir persönlich tut es immer im Herzen weh, wenn ich sehe, daß wieder einmal irgendwo ein Baum gefällt wird, weil er „im Weg“ steht oder „Dreck macht“. Oder wenn in der Stadt Blumen in Betonbeete gepflanzt werden, die dann vor dem Ende ihrer Blütezeit herausgerissen und weggeworfen werden, weil es nicht mehr ihre „Saison“ ist — Pflanzen als Wegwerfartikel.

Und ja, es hat natürlich auch etwas mit Phantasie zu tun, die im Alltagstrott unseres „Erwachsenenleben“ wohl manchmal etwas zu kurz kommt. Allerdings sehe ich das nicht als Flucht aus der „Realität“ an – im Gegenteil, ich versuche ständig, die „Realität“ zu hinterfragen, ihr auf den Grund zu gehen, weil ich glaube – nein eigentlich weiß –, daß die von mir wahrgenommene Realität nicht die letzte Wirklichkeit ist, und daß es der Sinn des Lebens ist (sofern es überhaupt einen gibt), nicht irgendwelche „Erfahrungen“ zu machen oder irgendetwas zu „lernen“, sondern zu seiner wahren Wirklichkeit zu finden, diese zu leben und zu ver-wirklich-en.

Diese in jedem(?) Menschen brennende Sehnsucht, endlich „nach Hause“ kommen zu dürfen, ist wahrscheinlich eine Folge der Diskrepanz zwischen der äußerlich wahrgenommenen Realität und dem Wissen, daß da eigentlich noch mehr ist, das aber unerreichbar erscheint. Ich glaube, letztlich ist diese Sehnsucht des Menschen sogar der Antrieb für sein gesamtes Tun, was manchmal groteske Züge annimmt, wenn man mit ansieht, wie er alles Mögliche versucht im Außen zu erreichen, wie er immer mehr und immer mehr erreichen möchte (und dabei so blind ist, daß er dabei ist, sich seine eigene Lebensgrundlage zu entziehen), obwohl er eigentlich einfach nur „sich selbst“ sucht – oder das, was er sein könnte. Ich selbst kann mich davon natürlich nicht ausnehmen. Daher auch mein momentaner Nickname – Nowhereman -, der mir zwar nicht besonders gefällt, der’s aber genau trifft: Ich fühle mich „nowhere“ so richtig zu Hause, weiß nicht so genau, wo ich hingehöre, was ich hier eigentlich soll, und mein Wunsch wäre es, vom „NoWhereMan“ zum „NowHereMan“ zu werden… 🙂

19.12.2002

Kabbala: Ein spiritueller Weg – oder ein Irrweg?

Hallo zusammen,

da ich eigentlich ständig „auf der Suche“ (nach Gott / nach mir selbst / nach dem Sinn des Lebens) bin, war Religiosität bzw. Spiritualität für mich immer schon ein zentrales Thema. Mit dem Judentum habe ich mich bisher allerdings nie näher befaßt. Vor ein paar Tagen stieß ich dann eher zufällig auf eine Website zum Thema Kabbala und habe dort mal ein bißchen herumgelesen. Viele der Texte dort haben mich sehr angesprochen, manche auch etwas verwundert. Was ich allerdings überhaupt nicht verstehe, ist, warum den Juden und somit auch den Kabbalisten das Land Israel so ungeheuer wichtig zu sein scheint, ohne das sie angeblich nicht zu Gott gelangen könnten. Auf der genannten Website schreibt z.B. ein Rabbi Michael Laitman:

Unsere vollständige spirituelle Befreiung ist nur dann möglich, wenn unser Volk in unserem Land Israel lebt und zu einem Zustand strebt, der spirituell dem Ursprung dieses Landes in der höchsten Welt entspricht.

Und später:

[…] wir müssen der ganzen Welt sagen, dass das UNSER LAND ist! […] Erst dann, wenn wir in unserem Herzen vollständig als eine Tatsache akzeptieren, dass das Land Israel nur uns gehört, können wir allein durch dieses Gefühl von uns alle Feinde verjagen.

usw.

Für mich paßt das irgendwie nicht zusammen mit einem spirituellen Weg, der die Kabbalah ja doch eigentlich sein will. Wieso soll „spirituelle Befreiung“ an ein Stück Land auf der Erde gebunden sein? Für mich ist dies in erster Linie eine rein „geistige“ Sache, die nicht an bestimmte irdische Gegebenheiten gebunden ist. Aus den meisten dortigen Texten geht das auch so hervor, und deshalb war ich dem Thema Kabbalah anfangs auch noch ganz positiv gegenüber eingestellt. Als ich aber dann den zitierten Text gelesen habe, da habe ich mich doch ernsthaft gefragt, ob es wirklich sinnvoll sein kann, sich auf der Suche nach einem gangbaren spirituellen Weg einen solchen „Klotz ans Bein“ zu binden. Und keinesfalls will ich eine Ideologie unterstützen, deren traurigen Folgen jeder aus den täglichen Nachrichten kennt. Kann jemand vom Webarche-Team hierzu etwas sagen? Entspricht die Darstellung auf der Website der „offiziellen“ Ansicht des Judentums, oder handelt es sich hierbei nur um eine Art „Sekte“, die eine „eigene“ Auslegung dieser Religion vertritt?

21.12.2002

Hallo Jens,

bin leider nicht dazu gekommen, Dir früher zu antworten. – Natürlich freue ich mich über Deine Mails, sonst hätte ich Dir ja nicht geschrieben! 🙂

Auch für mich war „Von der Zwiebel zur Perle“ eines der ersten Advaita-Bücher, das ich gelesen habe. Seit dem hoffte ich immer darauf, irgendwo einen „Weckruf“ zu vernehmen, wovon Satyam Nadeen in seinem Buch ja immer wieder schreibt. Jedoch habe ich diesen bisher weder in den Texten von U.G. Krishnamurti oder Jiddu Krishnamurti, noch in der Wirk-Gilde oder anderswo, und auch nicht in Diskussionen und/oder persönlichen Gesprächen mit Leuten wie Rama-San, Lothar Reschke, Pyar Troll und anderen gefunden. Diese ganzen Gedanken sind ja im Grunde auch alle nicht besonders neu – alles hat man in der einen oder anderen Form anderswo schon gehört oder gelesen, und man kann sogar „intuitiv“ bestätigen, daß es so ist. Nur was nützt dieses vermeintliche „Wissen“, solange es nicht zur eigenen „Erfahrung“ wird? Natürlich sind wir alle schon immer „die Wahrheit“, und natürlich kann nichts „erreicht“ werden, weil „der Suchende selbst das Gesuchte ist“. Das „Problem“ ist halt nur, das auch wirklich zu erkennen – nicht bloß zu „glauben“ im Sinne von „vermuten“.

Du hast sicherlich recht damit, daß man die Suche nicht einfach willentlich (mit dem Verstand) beenden kann, sondern daß wahrscheinlich die eigene „Intuition“ der einzig verläßliche Wegweiser ist. Ich werde also versuchen, mehr meinen „inneren Empfindungen“ zu vertrauen und mich davon leiten zu lassen.

Danke und viele Grüße,
Stefan

21.12.2002

Hallo Thomas,

Du stelltest die Frage: „Bist Du auf der Suche nach einer „passenden“ Religion?“

Also, wenn Du unter Religion ein bestimmtes „Glaubensbekenntnis“ verstehst, oder die Zugehörigkeit zu einem bestimmten „Religionssystem“ wie Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus oder Hinduismus, dann muß ich Deine Frage verneinen. Wenn Du „Religion“ im wörtlichen Sinne meinst, also „re-ligio“ = „Rückbindung“ = Zurückfinden zu seinen (spirituellen) Wurzeln, zu seiner „wahren Natur“, dann kommt das schon eher hin. 🙂 Wie hat es Willigis Jäger in seinem populären, von Kirchenoberen jedoch gar nicht gutgeheißenen Buch „Die Welle ist das Meer“ ausgedrückt (sinngemäß, da ich die Stelle gerade nicht wiederfinde): „Die Religionen sind wie die verschiedenen, bunten Glasscheiben in einem Kirchenfenster – durch sie alle strahlt dasselbe (weiße) Licht (sinnbildl. für Gott) hindurch…“.

Dies paßt übrigens exakt zu Deiner Aussage: „Ich stelle hier mal die These auf, dass sich „Gott“ in keine Religion dieser Welt „einpassen“ lässt. Umgekehrt lässt „er“ sich aber in den Religionen wiederfinden. Dies ist ein Unterschied.“

Ich suche also letztendlich weniger die schönste „bunte Glasscheibe“ (sie sind ja alle irgendwie schön, und man könnte sich sicherlich für den Rest des Leben damit begnügen…), sondern eher einen möglichst direkten Weg zu dem „Licht dahinter“ – bildlich gesprochen… 🙂 Darum schrieb ich ja auch „spirituelle Essenz“. In jeder Religion gibt es ja nicht nur den „äußeren Weg“, wie ich es mal nennen will, also das ganze „Brimborium drumherum“ und die Theo(log/r)ie, sondern auch einen „inneren Weg“, der genau das Erreichen dieses „Lichtes“ zum Ziel hat. Im Christentum ist das die christliche Mystik, im Judentum anscheinend die Kabbala, im Islam der Sufismus, im Buddhismus der Zen, im Hinduismus der/das(?) Yoga, etc. Natürlich ist klar, daß „innerer Weg“ letztlich bedeutet, daß man den Weg nur selbst gehen kann, und daß das Gesuchte nicht irgendwo „außen“ zu finden ist, sondern „innen“ in einem selbst – in der eigenen Seele. So betrachtet sind die „mystischen Wege“ der Religionen auch lediglich „Wegweiser“; gehen muß man immer noch selbst…

Das Seltsame an diesen mystischen Wegen der Religionen ist übrigens, daß sie oftmals von den „offiziellen Amtskirchen“ gar nicht anerkannt werden. Insbesondere auf das Christentum scheint dies zuzutreffen (siehe den kürzlichen Fall des Benediktinerpaters Willigis Jäger, dem nach Veröffentlichung seines o.g. Buches seitens seines „Vorgesetzten“ ein „Schweigegebot“ bzw. ein Lehrverbot auferlegt wurde). Übrigens ist Meister Eckhart – der bekannteste deutsche Vertreter der christlichen Mystik des Mittelalters – von der Amtskirche immer noch nicht offiziell rehabilitiert worden – er war ja damals als Ketzer verurteilt worden und gilt offiziell auch heute noch als solcher…

Nun ein Antwortversuch zu Deiner Frage: „Mich würde daher also mal interessieren, auf welche Art Suche Du Dich begegeben hast.“

Das ist gar nicht so einfach zu beantworten… es versteht wahrscheinlich jeder etwas anderes darunter, wenn man sagen würde: die Suche nach „GOTT“, nach der absoluten (also nicht bloß einer relativen) „WAHRHEIT“, nach „MIR SELBST“. Alles ausgehend von solchen (uralten) Fragen der Menschheit wie „Wer bin ich?“, „Warum bin ich hier?“, „Was ist der Sinn des/meines Lebens?“, „Was passiert mit „mir“ / mit meinem individuellen Bewußtsein nach dem physischen Tod?“, usw.

Tja, und was probiert man da nicht alles aus… angefangen nach der Abkehr von dem „anerzogenen“ katholischen Glauben mit Esoterik-Literatur als „Einstiegsdroge“, über „Positives Denken“, Yoga, Parapsychologie, Sri Chinmoy, Rosenkreuzer, Zen (Sanbo Kyodan, Soto), Ein Kurs In Wundern, Reiki, Advaita Vedanta, usw. – ich hab’ bestimmt jetzt das eine oder andere vergessen… 🙂 Momentan scheine ich mich wieder irgendwie in die Richtung des mir anerzogenen Glaubens zurückzuorientieren – allerdings eher zu dessen spirituellen Wurzeln, also der christlichen Mystik. – Ich darf also gespannt sein, was noch so alles kommt. 😉 Ob mein momentanes Interesse an der Kabbala nur ein „Strohfeuer“ ist, wird sich herausstellen müssen… Ich habe während der vergangenen Nacht noch einmal etwas intensiver auf der Website gelesen und kann mir noch kein abschließendes Urteil darüber bilden.

Alles in allem merke ich aber, daß mein sämtliches Tun und Denken in zunehmendem Maße auf einen zentralen Punkt hinsteuert: auf „GOTT“, wobei allein dieses Wort auch schon wieder irreführend ist, denn dieses „GOTT“ ist eigentlich ja unbenennbar, aber ich verwende es mangels Ausdrucksmöglichkeiten trotzdem mal. Ich merke, wie mein Verlangen und meine Sehnsucht nach diesem „GOTT“ immer stärker wird und alles andere zurückdrängt. Alles, was ich tue (egal was), tue ich letztlich „für GOTT“; ebenso alles, was ich denke, fühle usw. Alles, was ich möchte, ist „GOTT“ so nahe zu sein, wie es einem Menschen nur möglich ist.

Falls das jetzt zu „abgehoben“ klingen sollte, dann sorry – ich erkenne mich selbst kaum wieder… 😉

Um wieder auf das Thema „Religionen“ zurückzukommen: Die sind für mich letztlich nur „Mittel zum Zweck“, und nicht „Selbstzweck“. Ich würde mir wünschen, wenn weniger das Trennende, sondern das allen Religionen Gemeinsame mehr in den Vordergrund gestellt würde. Dann würde es wahrscheinlich auch weniger zu den ganzen extremen Auswüchsen oder zu Fanatismus kommen. Insofern denke ich, sind solche Foren wie diese hier schon eine ganz gute Sache. Allerdings wird es wohl immer das Bestreben geben, Religionen auch zur Durchsetzung „weltlicher Interessen“ zu mißbrauchen – da hilft dann wohl auch kein interreligiöser Dialog…

22.12.2002

Hallo Dieter,

ich sehe es so, daß das Verlangen nach Spiritualität bzw. tieferen religiösen Erfahrungen ein religiöses Grundbedürfnis ist, das absolut nichts mit „exotisch“ zu tun hat. Daß Mystik in unserem Kulturkreis heute vielen als etwas „Exotisches“ erscheint, liegt vermutlich nur daran, daß diese inneren Wege von der offiziellen Kirche nicht oder kaum gelehrt werden. Ich zumindest habe bis zu meiner innerlichen Abkehr von der Kirche (als Jugendlicher) nicht mal gewußt, daß es so etwas wie eine christliche Mystik überhaupt gibt bzw. was das genau bedeutete – so etwas wurde z.B. im Religionsunterricht in der Schule nie auch nur mit einem Wort erwähnt (und damals gab es auch ja noch kein Internet, wo man sich darüber hätte informieren können :)). Im Mittelalter wurden Leute, die behaupteten, direkte Gotteserfahrungen gemacht zu haben, ja sogar im Auftrag der Kirche umgebracht (heute werden sie „nur“ noch zum Schweigen gebracht). Daß da viele Menschen „abwandern“ und ihr „Heil“ in anderen spirituellen Wegen suchen, ist da nicht weiter verwunderlich. Dabei hat das Christentum in dieser Hinsicht durchaus einiges zu bieten – auch wenn vieles leider verlorengegangen ist. Das Einzige, was von der (katholischen) Kirche noch vereinzelt angeboten wird, sind Exerzitien, wobei allerdings die kontemplative Form (also wo bspw. eine gegenstandslose Form der Meditation praktiziert wird, ähnlich dem Zen) dabei nur einen sehr geringen Anteil ausmacht (man braucht ja nur mal auf http://exerzitien.org/ nach entsprechenden Angeboten zu suchen). Wer danach sucht, muß zwangsläufig auf andere „Anbieter“ ausweichen…

Den „spirituellen Weg“ bzw. den „Weg zurück zu Gott“, wenn man es so lieber nennen will, betrachte ich übrigens nicht als so eine Art Psychotherapie zum Ausmerzen „negativer Eigenschaften“, und auch nicht in erster Linie als eine „Lernphase“ zum Sammeln neuer Erfahrungen. Der Weg der Seele besteht – verkürzt gesagt, aus drei Phasen: (1) dem Weg von der ursprünglichen Einheit, aus der alle Seelen kommen, in die Polarität, (2) das Durchleben sämtlicher Erfahrungen, die es in der Polarität gibt, und (3) der Weg zurück in die Einheit. Das Sammeln von Erfahrungen innerhalb der Polarität gehört somit primär in die 2. Phase. Irgendwann merkt dann die Seele, daß sie nun genug Erfahrungen gesammelt hat und nun wieder in die Einheit zurückkehren möchte. Dies äußert sich z.B. in einer „Sehnsucht nach Gott“ oder nach „Ganzheit“, gegenüber der alle anderen Wünsche materieller und auch sozialer Art nach und nach zurückweichen.

Natürlich sind die skizzierten 3 Phasen nicht strikt voneinander getrennt zu sehen, sondern sie gehen ineinander über. So ist die Seele, wenn in ihr diese „Sehnsucht nach Hause“ erwacht, immer noch sehr unbewußt und in der Polarität verstrickt. Daß der „Rückweg“ dann nicht „einfach, schnell und direkt“ vonstatten geht, ist fast schon klar. Zunächst ändert sich nur das Verlangen des Menschen weg von „weltlichen“ und mehr hin zu „spirituellen“ Zielen, und genau das ist dann der Punkt, an dem bewußt die Entscheidung getroffen wird, den „Rückweg“ in die Einheit anzutreten. Ich denke, daß nur jeder Mensch selbst für sich wissen/fühlen kann, ob das bei ihm der Fall ist, oder ob lieber noch ein bißchen die Reize der Polarität auskosten möchte… 🙂

22.12.2002

Vielleicht sind „vorgefertigte“ Religionen gar nicht das Richtige für mich – eben gerade wegen der ganzen unterschiedlichen „Standpunkte“. Deshalb scheint es ja auch notwendig zu sein, diese Standpunkte erst einmal kennenzulernen und zu sehen, ob man mit dieser „Wegbeschreibung“ etwas anfangen kann. Mir persönlich geht es aber nicht darum, einfach einen „Glauben zu haben“. Jeder hat ja so seinen persönlichen Glauben. Manche identifizieren sich vielleicht mit ihrem Glauben und fühlen sich wohl damit. Ist ja auch in Ordnung. Für mich ist Glaube jedoch lediglich ein selbstgemachtes, beliebig austauschbares Gedankenkonstrukt, das nichts mit der wahren Natur der Seele zu tun hat. (Selbst dieser letzte Satz gehört dazu – er ist Bestandteil meines momentanen „Glaubens“, und der kann sich aufgrund von weiteren Erfahrungen und Gedankenprozessen jederzeit ändern.)

Von dem Gesuchten oder von „Gott“ habe ich keine genaue Vorstellung, weil ich (natürlich auch wieder nur gemäß meines persönlichen, wandelbaren „Glaubens“) davon ausgehe, daß dieses „Gesuchte“ jegliche menschliche Vorstellung übersteigt. Ich zumindest kann mir nichts auf dieser Welt denken, das das Verlangen meiner Seele befriedigen könnte. Also gehe ich mal davon aus, daß es noch eine „übergeordnete“ Realität gibt, die möglicherweise durch die fünf Sinne gar nicht direkt wahrnehmbar ist und daher die menschliche Vorstellungskraft ganz einfach übersteigt (denn die gesamte Vorstellungskraft des Menschen beruht ja auf Sinneseindrücken). Aus diesem Grunde kann ich auch nicht konkretisieren, was „genau“ ich suche. Und ich will es auch gar nicht, da ich mich dadurch in dem, was ich vielleicht zu finden hoffe, nur selbst begrenzen würde. Ich weiß aber, daß es mit dem intuitiven „Verlangen der Seele“ zu tun hat, und daß mich dieses (früher oder später – Zeit spielt letztlich natürlich keine Rolle) zum „Ziel“ führen wird.

26.01.2003

Erfahrung (Antwort im Arche-Forum)

Hallo Pichou,

ich sehe es auch so, daß dieser abstrakte, mit Worten gar nicht beschreibbare Zustand des „Aufgehens in Gott“ das eigentliche Ziel unserer „Sehnsucht nach Gott“ ist. In dem Buch „40 Tage – Erfahrungsbericht einer traditionellen Derwischklausur“ von Michaela M. Özelsel habe ich diese Erfahrung auch sehr schön beschrieben gefunden:

»Ich« sehe »mich« von hinten, mit weit geöffneten Armen und Beinen, winzig klein im Vergleich, auf diese immense Nebelbank zufliegen. Angezogen wie von einem gewaltigen Magneten, hin­einfallend wie in einen See.*

Dann höre »ich« auf, »mich« zu sehen. Es ist nur noch Ein Wahrnehmen. In dieser Nebelbank dehne ich mich weiter und weiter aus. Meine ausgestreckten Arme und Beine werden zu­nächst länger und länger, es zieht mich in alle Richtungen zugleich. Dann löse ich mich auf, gehe total auf in diesem Nebel, der reinste Liebe und Erbarmen ist. So, als würde ein Teegläschen in einen großen See gegossen. Der Tee verdünnt sich immer mehr, bis er schließlich sein »Tee-Sein« im »Wasser-Sein« verloren hat, und nur noch Ein Seewasser da ist.

Jetzt, Eins geworden, dehnen »wir« »uns« unermeßlich, unend­lich, weiter und weiter aus. »Wir-ich-er« sind so aufgelöst, so ausgedehnt, daß wir das gesamte Universum umfassen. Aber auch von »Umfassen« kann keine Rede mehr sein, da dies ja Grenzen implizieren würde. Die Liebe ist aber grenzenlos. Der ganze Kosmos besteht tatsächlich aus purster Liebe. Es ist Ein Einziges Sein unermeßlicher Liebe und Barmherzigkeit.
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* Wenn es bisher nicht einfach für mich war, mein Erleben für meine Aufzeichnungen in Worte zu fassen, konnte diese Schwierigkeit zum Teil durch den Gebrauch von Analogien, Metaphern und vor allem durch das Zitieren Hz. Mevlânas umgangen werden.

An diesem Punkt ist es mir nicht mehr möglich, auch nur in Andeutungen die tatsächliche Erfahrungsqualität auf dieser Ebene verständlich zu machen. Es beginnt schon mit der ziemlich banalen Tatsache, daß keines der in Frage kommenden Pronomen in Frage kommt: »Wir« stimmt nicht, denn »ich«, wie ich mich sonst definiere, existiert nicht mehr. »Er« stimmt nicht, denn dieses Pronomen erfordert eine unterscheidende Wahrnehmung, die nicht mehr gegeben ist. Ich sehe keine Möglichkeit, den Seins-Zustand von »nicht-wir«, »nicht-ich« und »nicht-er« auszudrücken.

Quelle: Michaela M. Özelsel: 40 Tage – Erfahrungsbericht einer traditionellen Derwischklausur

Egal, welches Bild man für dieses „Aufgehen in Gott“ verwendet – es hat offenbar immer damit zu tun, daß man sich selbst in etwas größerem „auflöst“, und Auflösen der eigenen Struktur bedeutet „Sterben“ (deswegen wahrscheinlich Thomas’ Assoziation mit „Traurigkeit“). „Sterben“ muß dabei unser eigenes „Wollen“, also unser „Ego“, oder wie Du, Pichou, es ausdrückst, unsere Angewohnheit, der „Macher“ zu sein. „Dein Wille geschehe“… das ist natürlich für uns heutige Menschen in einer Gesellschaft, in der Individualität und Konkurrenzdenken so wichtig sind, nicht ganz einfach…

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